Firmengeschichte Schieck


Friedrich Wilhelm Schiek (obwohl die Schreibweise in alten Quellen und auch bei späteren Signaturen ohne erkennbaren Grund wechselt, bevorzugt diese Abhandlung die Schreibweise "Schieck") wird 1790 als erstes Kind des Wundarztes Johann Andreas Schiek und seiner Ehefrau Johanna Christina Luise Thinkmann in Herbsleben (Thüringen) geboren. Die Familie zieht später nach Frauensee um.

Hier in der Nähe liegt das Schloss Philippsthal, in dem der spätere Landgraf, Prinz Ernst Constantin zu Hessen-Philippsthal, seit ca. 1800 eine Mechanische Werkstatt unterhält. Als erster "Hofopticus und Mechanicus" war dort seit 1800 Ludwig Wisskemann angestellt.

 

 

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Mittleres Stangenmikroskop im Kasten mit der Signatur "Schiek in Berlin No. 75"

 

Von Februar 1808 bis Ende Februar 1811 dauert die Lehrzeit von F. W. Schieck (die spätere Schreibweise wird in dieser Betrachtung weiter verwendet) bei Ludwig Wisskemann in dessen Werkstatt. Bald (?) nach Absolvierung der Lehre geht F. W. Schieck nach Berlin. Die Berliner Universität wurde erst im Jahre 1810 relativ spät gegründet. Offenbar bestand eine große Nachfrage nach wissenschaftlichen Instrumenten.

 

Es bleibt unklar, wo und für wen Schieck im Anschluss an seine Übersiedlung nach Berlin arbeitete. Seit ca. 1815 ergab sich eine Zusammenarbeit mit Karl Philipp Heinrich Pistor (1778 -1847). Dieser fertigte schon länger wissenschaftliche Instrumente an und stand zu der Zeit mitten im gesellschaftlichen und politischen Leben in Berlin.

 

 

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       Großes Mikroskop mit der Signatur "Schiek in Berlin No. 267"

 

 

Pistor hatte jahrelang mit Karl Theodor Nathan Mendelsohn (1872 -1852), dessen zwei ältere Brüder später das bekannte Berliner Bankhaus gründeten, zusammengearbeitet. Mendelsohn betrieb eine der ersten Werkstätten für wissenschaftliche Instrumente in Berlin. Er fertigte in seiner mechanischen Werkstatt von 1808 bis 1813 Sextanten, Waagen, Kreisteilmaschinen und viele andere Instrumente.

 

 

 

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Seltenes Einfach-Mikroskop mit der Signatur "Schiek Berlin"

 

 

 

Seit 1813 besitzt der offensichtlich wohlhabende Pistor einen eigenen Betrieb. In seiner Werkstatt, in der Mauerstr. 34 in Berlin, produziert er mathematische, optische und physikalische Instrumente. K. P. H. Pistor hatte eine Entwicklung vom Liebhaber wissenschaftlicher Instrumente bis zum Hersteller dieser Instrumente durchgemacht. Zum Freundeskreis von Pistor zählten neben vielen politisch freiheitlich eingestellten Bürgern u. a. Achim von Arnim, Clemens Brentano, Heinrich von Kleist, Daniel Friedrich Schleiermacher und Karl Friedrich Schinkel.

 

In einem Preisverzeichnis Pistors von 1814 finden sich neben astronomischen und geodätischen Instrumenten 3 Mikroskoptypen im Angebot: eine Ausführung eines Mikroskops nach Jones, ein einfaches Mikroskop nach Ellis und ein Solar-Mikroskop. Pistor hielt sich 1814 in England bei den bekannten Optikern und Instrumentenbauern Tulley und Hunt in deren Werkstätten auf, um seine Methoden bei der Linsenherstellung zu verbessern.

 

 

 

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       Die Signatur des Einfach-Mikroskops ohne die übliche Baunummer
 

 

 

 

Das Mikroskop nach Jones war das große Mikroskop von Pistor (vgl. den Aufsatz über Pistor in Kapitel 14 unter "News & Facts" auf dieser Homepage). Damit wird auch klar, dass die sich in der Form ähnelnden großen Stative von Plössl und Schieck schon durch die Bauart Pistors vorweg genommen worden waren.

 

Damit scheint das Phänomen der Ähnlichkeit der großen Mikroskoptypen von Schieck in Berlin und Simon Plössl in Wien geklärt. Beide produzierten fast gleiche Geräte mit nur geringen Unterschieden in Form und Abmessung. Sie haben sich offenbar an der Bauart des den Jones-Typen nachempfundenen großen Mikroskops von Pistor orientiert Es handelt sich um die Stangenmikroskope mit einem aufklappbaren Dreibeinfuß. Diese Geräte von Jones stellten im ausgehenden 18. Jh. die aktuelle technische Entwicklung bei den Stativen dar und lösten die älteren und unpraktischen Culpepper-Mikroskope des frühen 18. Jh. ab.

 

Schieck scheint seit 1819 in Berlin auf eigene Rechnung gearbeitet zu haben. Seit 1824 ist er bei Pistor Werkstattleiter und Teilhaber (entsprechende Geräte tragen die Signatur "Pistor & Schieck"), nachdem Schieck vermutlich einige Jahre lang als Zulieferer für Pistor fungiert hatte. Zunächst werden neben einer Vielzahl verschiedener Instrumente nur 4 Mikroskoptypen angeboten. Es ist kann anzunehmen, dass Schieck für die Fertigung der Mikroskope verantwortlich war.

 

 

 

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      Großes Stangenmikroskop "Schiek in Berlin No. 722" mit der  handgeschriebenen Gebrauchsanweisung

 

 

 

1836 beenden Pistor und Schieck ihre Zusammenarbeit. 1837 macht Schieck in einer Zeitungsanzeige auf die Trennung aufmerksam und empfiehlt seine eigene Werkstatt für optische und mathematische Instrumente in der Dorotheenstraße 31 in Berlin. Pistor tat sich zunächst mit Hirschmann und später mit seinem Schwiegersohn Carl Martins zusammen. Es gibt große Stangenmikroskope mit der Signatur von W. Hirschmann (ca. 1780 – 1847).

 

Die Firma "Pistor & Martins" fertigte auch noch nach dem Tod von Pistor neben astronomischen Instrumenten Mikroskope. Noch bis 1871 – dem Tod Martins – blieb die Firma recht bedeutend. Nach dem Ableben von Martins ging der Betrieb 1873 dann in Konkurs.

 

Seit etwa 1830 wird der Name Schieck im Bau von Mikroskopen lobend erwähnt. 1832 preist der Mikroskopiker Professor Ehrenberg (1795 – 1876) die Geräte von Schieck und bleibt ihnen sein Leben lang treu. 1844 erhielt Schieck auf der Gewerbeausstellung für seine Mikroskope eine Goldmedaille.

 

 

 

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      Kompletter Satz mit 5 Objektiven eines großen  Mikroskops von Schieck

 

 

 

F. W. Schieck fertigt im Rahmen seines Produktionsprogramms 8 verschiedene Mikroskoptypen. In der Zeit von 1837 bis 1864 verlassen ca. 1400 Mikroskope die Werkstatt Schiecks (vgl. Baden, Helmut. Sammlerinfo Nr. 3 über F. W. Schieck. Wölferlingen o. Jahresangabe, S. 15). Bis zu seinem 50jährigen Berufsjubiläum im Jahr 1858 waren 954 Mikroskope aus der Werkstatt geliefert worden.

 

Eine Notiz in der "Königlich privilegierten Berlinischen Zeitung" weist auf diesen Tag hin: "Gestern, 3. Februar, feierte hierselbst ein in naturwissenschaftlichen Kreisen sehr hoch geachteter und rühmlich bekannter Mann, der Mechanikus F. W. Schieck, im stillen engen Familienkreise sein 50jähriges Berufsjubiläum".

 

 

 

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       Eines der letzten typischen kleinen Mikroskope von F. W. Schieck
       mit der Signatur "Schieck in Berlin No. 1.410", ca. 1864

 

 

 

Interessant erscheint die geographische Verbreitung der Lieferungen von Schieck, der seine Mikroskope schon damals in alle Welt lieferte (vgl. Baden, Helmut. Sammlerinfo Nr. 3 über F. W. Schieck. Wölferlingen o. Jahresangabe, S. 16f.). Der größte Teil der Instrumente wurde naturgemäß in Nord- (ca. 60 %) und Süddeutschland (ca. 12 %) ausgeliefert. Der Rest wurde in das Ausland exportiert: u. a. 172 Stück nach Russland, 25 in die Schweiz, 24 nach Italien, 20 Stück jeweils nach England und Norwegen, 16 nach Amerika, 5 nach Ostindien und ein Exemplar nach China.

 

F. W. Schieck bietet in Deutschland in der ersten Hälfte des 19. Jh. offensichtlich die leistungsfähigsten Mikroskope an. Diesen Instrumenten hat kein anderer Hersteller - ausgenommen Oberhäuser in Paris - etwas Gleichwertiges entgegenzusetzen. Die Namen Leitz und Zeiss und viele andere existieren im Bau von Mikroskopen noch nicht oder haben sich am Markt noch nicht durchgesetzt. Daher ist es natürlich, dass die Mikroskope aus dem Hause Schieck von bedeutenden Naturforschern und hervorragenden Medizinern erfolgreich eingesetzt wurden.

 

 

 

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       Die typische Signatur Schiecks auf einem kleinen Mikroskop. Große
       Mikroskope wurden meist auf dem Tubus signiert.

 

 

 

Unter den Kunden von Schieck befinden sich neben "Seiner Majestät dem König" (Mikroskop Nr. 12, ein großes Stativ) und ca. 50 Vertretern des Adels viele Namen, die in Forschung und Lehre berühmt waren oder noch Berühmtheit erlangen sollten. Die folgenden nur dem Alphabet nach geordneten Namen sind nicht vollständig und vermitteln nur einen Eindruck von den Käufern der Mikroskope aus der bedeutenden Berliner Werkstatt (vgl. Baden, Helmut. Sammlerinfo Nr. 3 über F. W. Schieck. Wölferlingen o. Jahresangabe, S. 33ff.):

 

Barry aus Edinburgh, Bentham aus London, Professor Bidder aus Dorpat, Professor Blume in Leiden, von Flotow, Ernst Haeckel, Professor Henle (8 Mikroskope zwischen 1840 und 1863), Kölliker, Langenbeck, Professor Johannes Müller (8 Mikroskope bis 1853), Remak, Professor Rose, Professor Schultze in Berlin, Schleiden, Schwann, Virchow (8 Mikroskope bis 1853), Professor Wagner in Göttingen (7 Mikroskope zwischen 1841 und 1844), der Mineraloge Websky, Professor Friedrich Wöhler (4 Mikroskope).

 

 

 

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      Trommel-Mikroskop, "Schiek in Berlin No. 782"

 

 

 

Nachdem der Sohn von F. W. Schieck, Friedrich Wilhelm Hermann Schieck (1843 - 1916), eine Lehre im Betrieb seines Vaters von 1860 bis 1864 absolviert hatte, ging er als Geselle nach London und Paris. In Paris war er eine kurze Zeit bei Hartnack beschäftigt.

Seit F. W. H. Schieck in die Firma eingetreten war, erweiterte sich die Produktion zwischen 1867 und 1870, dem Todesjahr F. W. Schiecks, erheblich: primär fertigte man nun Hufeisenstative nach Oberhäuser. In Anlehnung an die früher erfolgreichen Zeiten gab es noch ein kleines Tommelmikroskop und ein mittleres Stangenstativ mit Klappdreibein. Es wurden ca. 20 Mitarbeiter beschäftigt. Die Firma nahm an mehreren Ausstellungen teil: 1873 in Wien, 1879 in Berlin, 1893 in Chikago und 1896 in Berlin.

 

 

 

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      Signatur der Trommel-Mikroskops von Schieck
 

 

 

 

Die Firmenadresse lautete seit 1860 Hallesche Straße 14 Berlin S. W. Nach 1916 zog die Firma in ein Gebäude Andreasplatz 3 in Berlin um. Ein Mikroskop aus dem Jahr des Umzuges trägt die Baunummer "41.655". Seit 1916, dem Tod von F. W. H. Schieck, führte seine Witwe die Firma einige Jahre erfolgreich weiter.

 

1919 übernahm der Feinmechaniker Wilhelm Wolkersdorf (1898 – 1959) die Firma. Dieser stellte weiterhin unter dem Namen "F. W. Schieck Nachf. Fabrik für Optik und Feinmechanik" noch Mikroskope und Messinstrumente her und hatte großen wirtschaftlichen Erfolg. Zu Beginn der 30er Jahre betrug die Belegschaft ca. 100 Mitarbeiter und 1940 fast 200.

 

Seit 1936 lautete der Name "Schieck-Instrumente". Nach dem Tod des Inhabers, 1959, führte die Witwe das Unternehmen zusammen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter weiter, bis die Firma dann 1962 aus dem Handelsregister endgültig gelöscht wurde.

 

F. W. Schieck hat seine Mikroskope bis auf wenige Ausnahmen wie bei dem oben abgebildeten Einfach-Mikroskop nummeriert. Daher können einige gesicherte Angaben bei einer Datierung der Geräte helfen:

        - pro Jahr wurden mit steigender Tendenz etwa 20 bis 60 Mikroskope
          gefertigt


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           Jahr               Baunummern
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        - 1837               No. 1
        - 1840               No. 63
        - 1844               No. 201 (großes Klappdreibein mit Kippstativ, im
                                April 1844 verkauft)
        - 1844               No. 250
        - 1848               No. 401 (kleine Trommel)
        - 1853               No. 642 (erstes Mikroskop in diesem Jahr)
        - 1854               No. 717
        - 1857               No. 884
        - 1858               No. 954
        - 1863               No. 1286
        - 1864               No. 1340
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Unter F. W. Schieck erhöht sich die Zahl der hergestellten Mikroskope erheblich. 1884 wird z.B. ein Mikroskop mit der Nummer 7.926 verkauft.

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Copyright Björn U. Kambeck 02/2012