Firmengeschichte Fraunhofer
Joseph Fraunhofer (1787 - 1826) wurde in ärmlichen Verhältnissen als elftes und letztes Kind eines Glasermeisters und seiner Frau, einer Glasertochter, in Straubing geboren. Die Mutter starb, als er 10 Jahre alt war, der Vater ein Jahr später. Fraunhofer begann 1798 eine sechsjährige Lehre bei einem Hofspiegelmacher in München. 1801 brach das Haus der Lehrmeisters ein und begrub Fraunhofer. Er konnte gerettet werden und erhielt vom Kurfürsten, der sich den Vorfall berichten ließ, 18 Dukaten. Bei einem befreundeten Optiker lernte er in seiner geringen Freizeit neben der Lehre das Schleifen von Linsen, kaufte sich das letzte halbe Jahr von der Lehre frei und erwarb eine optische Schleifbank.
Seit dem Unfall versorgte der Unternehmer Joseph von Utzschneider Fraunhofer mit mathematischen und optischen Lehrbüchern. Er eignet sich trotz einer unzureichenden Schulbildung als Autodidakt gründliche theoretische Kenntnisse an. Von 1804 bis 1806 arbeitete Fraunhofer als Geselle bei seinem Lehrmeister und erhielt seinen Gesellenbrief als "Spiegelmacher und Zieratenglasschleifer". Fraunhofer trat 1806 - mit 19 Jahren - in das Optische Institut von Utzschneider und Reichenbach ein. Dieses war die optische Werkstätte des 1804 gegründeten Mechanischen Instituts von Utzschneider, Reichenbach und Liebherr. Das Mechanische Institut war 1802 von Reichenbach und Liebherr, einem Uhrmacher, gegründet worden. 1804 wurde Utzschneider Teilhaber. Neben der Werkstätte in München bestand eine Glashütte in Benediktbeuern. Bei der Verlegung des Optischen Instituts zur Glashütte nach Benediktbeuern 1807 ging Fraunhofer als Werkmeister mit und übernahm seit 1809 die Leitung der optischen Werkstatt. Die Gerätesignaturen lauteten jetzt "Utzschneider, Reichenbach und Fraunhofer".
1813 schied Liebherr aus dem Münchener Mechanischen Institut aus. Fraunhofer wird 1814 Teilhaber des Optischen Instituts. Dieses verdankte seinen Erfolg dem Zusammenwirken der drei unterschiedlichen Persönlichkeiten: J. von Utzschneider steuerte seine unternehmerischen Fähigkeiten bei, von Reichenbach seine praktischen Kenntnisse und Fraunhofer seine hervorragenden wissenschaftlichen Fähigkeiten. 1814 schied Reichenbach aus dem Optischen Institut in Benediktbeuern aus, behielt aber das Mechanische Institut in München. Die Geräte wurden seitdem mit "Utzschneider und Fraunhofer" signiert. Die Optik für seine Geräte bezog Reichenbach weiter aus der Glashütte in Benediktbeuern. Fraunhofer entdeckte 1814 die Grundlage der Spektralanalyse, die Fraunhoferschen Linien, deren von Fraunhofer eingeführte Bezifferung noch heute in Gebrauch ist. 1817 erarbeitete er die Voraussetzung achromatischer Objektive durch Bestimmung des Brechungs- und Farbstreuungsvermögens unterschiedlicher Glassorten. Die Vielfalt der angebotenen Geräte nahm schnell zu. Neben den seit ca. 1809 produzierten und seit 1812 mit achromatischen Linsen ausgestatteten Mikroskopen entstanden vor allem Teleskope. Berühmtheit erlangte der im Jahr 1817 fertiggestellte und 1824 gelieferte Dorpater Refraktor. Mit diesem Gerät entdeckte der Astronom Galle 1846 den Planeten Neptun.
Während seiner Tätigkeit im Optischen Institut in Benediktbeuern von 1807 bis 1819 begründete Fraunhofer die erste wissenschaftlich geführte optische Werkstätte zum Schmelzen, Bearbeiten und Prüfen optischer Gläser. Neben zahlreichen Verbesserungen zur Glasschmelztechnik gelang ihm die Herstellung von optischem Glas mit einem bis dahin nicht gekannten geringen Absorptionsvermögen. Er entwickelte Verfahren der Berechnung von Linsen für Teleskope und Mikroskope und ging eigene Wege beim Bau optischer Instrumente. Durch Fraunhofer wurde die Technik der Linsenfernrohre besonders gefördert. Fraunhofer und der Glasschmelzer Pierre Louis Guinand (1748 - 1824) waren in der Lage, optisches Glas in geforderter Qualität zu produzieren. Anstrengungen anderer Firmen im In- und Ausland beim Schmelzen homogenen optischen Glases blieben jahrzehntelang vergeblich.
Guinand hatte sich ohne eine entsprechende Ausbildung mehr als 30 Jahre in das Schmelzen von Glas eingearbeitet und kam 1805 nach Benediktbeuern. Hier sollte er das benötigte farbenfreie Glas schmelzen, da es weder im In- noch im Ausland zu bekommen war. 1813 beendete Guinand die Zusammenarbeit und kehrte im Jahr darauf in die Schweiz zurück. Er konnte nicht mit der Tatsache leben, daß Fraunhofer ihm in der Optischen Abteilung und in der Glashütte übergeordnet wurde. Guinand baute ein Konkurrenzunternehmen auf, welches nach seinem Tod von seiner Frau und seinen Söhnen weitergeführt wurde. Ein Sohn, Henri Guinand, betrieb mit seinem Schwiegersohn Feil die Glashütte Feil et Guinand bei Paris. Die zweite Firma, die in der Lage war, geeignetes optisches Glas zu schmelzen, war Chance Brothers in Birmingham. Diese beiden Firmen beherrschten den Weltmarkt für optisches Glas, während die Glashütte in Benediktbeuern nach Fraunhofers Tod zwar zunächst noch den Qualitätsstandard verbesserte, später aber allmählich in die Bedeutungslosigkeit versank. Erst 1883/84 entwickelte sich ein dritter Glaslieferant durch das Jenaer Glaswerk unter Otto Schott. 1819 erfolgte die Verlegung des Optischen Instituts und damit die Bearbeitung optischer Gläser nach München, während die Glashütte in Benediktbeuern unter Fraunhofers Leitung weiterhin das qualitativ hochwertige Glas dazu lieferte. Sie blieb - auch von München aus - unter Fraunhofers Leitung. Fraunhofer wurde 1824 - nach Fertigstellung des Dorpater Refraktos - in den Adelsstand erhoben.
Fraunhofer starb 1826 an den Spätfolgen einer Infektion, die er sich - nach einer Gebirgswanderung - bei einer Floßfahrt auf der Isar auf dem Weg zurück nach München zugezogen hatte.
Die Bedeutung Fraunhofers liegt u.a. darin, daß er als erster und einziger den optischen Gerätebau auf wissenschaftlicher Grundlage vorantrieb. Die Instrumente - nach theoretischen Grundsätzen hergestellt - wurden mit auf wissenschaftlicher Basis gefertigtem einwandfreien optischen Glas ausgestattet. Nach seinem Tod gerieten Fraunhofers Erkenntnisse zum großen Teil in Vergessenheit. Das "Pröbeln" (Zusammenstellung der Optik eines Mikroskops, indem aus zahllosen vorgefertigten Linsen die für ein achromatisches Mikroskop geeigneten durch Probieren zusammengestellt werden) blieb bis zum Durchbruch zur berechneten Optik durch Carl Zeiss, Ernst Abbe und Otto Schott die vorwiegende Praxis.
Zeitliche Entwicklung der mathematischen Werkstätte (vgl. 15, S. 198f):
1802 |
G. von Reichenbach und J. Liebherr gründen in München eine mathematische Werkstätte zum Bau wissenschaftlicher Instrumente. |
1804 |
Durch die Beteiligung von J. von Utzschneider heißt die Firma nun Mechanisches Institut von Utzschneider, Reichenbach und Liebherr. |
1806 |
Gründung eines Optischen Instituts durch von Utzschneider und Reichenbach als optische Werkstätte in München. |
1807 |
Verlegung des Optischen Instituts zur Glashütte nach Benediktbeuern mit Fraunhofer als Werkmeister. |
1809 |
Fraunhofer tritt als Leiter in das Optische Institut von Utzschneider, Reichenbach und Fraunhofer ein. |
1813 |
Liebherr verläßt das Münchener Mechanische Institut und macht sich selbständig. Das Institut wird ab jetzt von Utzschneider und Reichenbach geführt. |
1814 |
Reichenbach scheidet aus dem Optischen Institut in Benediktbeuern aus, behält aber das Mechanische Institut in München. Das Optische Institut wird jetzt von Utzschneider und Fraunhofer geleitet. |
1816 |
Gründung eines mechanischen Instituts von Utzschneider, Liebherr und Werner in München. |
1819 |
Das Optische Institut von Utzschneider und Fraunhofer wird nach München verlegt. |
1823 |
Das mechanische Institut wird durch Liebherrs Ausscheiden aufgelöst. |
1826 |
Nach Fraunhofers Tod leitete Georg Merz das nun von Utzschneider gehörende Optische Institut von Utzschneider und Fraunhofer. |
1839 |
Georg Merz kauft das Optische Institut von J. von Utzschneider und führt es ab 1845 gemeinsam mit seinen Söhnen Ludwig und Siegesmund weiter.
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Georg Merz
G. Merz (1793 -1867) trat 1808 in das Optisch Mechanische Institut von Utzschneider, Fraunhofer und Reichenbach ein. Seit dem Tod Fraunhofers im Jahr 1826 leitete G. Merz die optische Abteilung des Optischen Instituts von Utzschneider und Fraunhofer.
Im Jahr 1839 kaufte G. Merz die Firma und führte sie ab 1845 gemeinsam mit seinen Söhnen Ludwig (1817 - 1860) und Sigmund (1824 - 1908). Von 1845 bis 1860 lautete die typische Signatur "G. Merz & Söhne in München".
Seit dem Tod des Sohnes Ludwig Merz im Jahr 1860 wurden hergestellte Geräte dann mit "G. & S. Merz in München" bis zum Tod von Georg Merz 1867 signiert.
Das Know How, das unter Fraunhofers Leitung in den Firmen in Benediktbeuern und München erarbeitet wurde, ergab eine herausragende Marktstellung. So führte die Firma Merz noch bis Mitte des 19. Jh. im Bau großer Refraktoren für die Sternwarten Europas. Mikroskope waren offenbar von eher untergeordneter Bedeutung. Diese Tatsache stellte sich allerdings auch unter Fraunhofer ähnlich dar. Seit 1867 war Sigmund (oder Siegesmund) Alleininhaber der Firma. Diese firmierte dann wie z. Bsp. in einer Preisliste aus dem Jahre 1872 "G. & S. Merz (vormals Utzschneider & Fraunhofer) in München".
Seit ca. 1858 übernahmen G. & S. Merz im Mikroskopbau auch das von Oberhäuser vorgegebene und vielfach übernommene Hufeisenstativ. Im Jahr 1871 hatte das Unternehmen 63 Beschäftigte. Mikroskope von G. & S. Merz sind recht selten, da die Firma hauptsächlich auf die Produktion von Teleskopen in der Fraunhoferschen Tradition ausgerichtet war.
Gerätesignaturen:
Mikroskope der Firma Merz tragen nur zum Teil Gerätenummern, so daß eine Datierung nicht exakt vorzunehmen ist. Da es drei verwendete Signaturen gibt, lassen sich die Geräte auf jeden Fall grob einordnen:
1845 - 1860 |
"G. Merz & Söhne in München". |
1860 - 1867 |
"G. & S. Merz in München". |
1867 - 1908 (?) |
"G. &. S. Merz (vormals Utzschneider & Fraunhofer) in München". |
Ein Mikroskop von ca. 1850 trägt die Signatur "G. Merz & Söhne in München". Dieses Gerät trägt die Signatur, die von 1845 bis 1860 verwendet wurde, ohne eine Baunummer.
Weitere Signaturen von Mikroskopen mit Baunummern, die zwischen 1860 und 1867 entstanden sein müssen, lauten:
"G. & S. Merz in München No. 811" (Handel),
"G. & S. Merz in München No. 948",
"G. & S. Merz in München No. 1335",
"G. & S. Merz in München No. 1583" (Handel),
"G. & S. Merz in München No. 1689".
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Copyright Björn U. Kambeck 02/2012