Ein großes Mikroskop von C. H. Pistor
Großes Mikroskop mit Klappdreibein, ca. 1813 – 1815,
Carl Heinrich Pistor (1778 – 1847) stellte schon seit 1804 in einer eigenen Werkstatt wissenschaftliche Instrumente (es handelt es sich um mathematische, optische und physikalische) her. In den Folgejahren entstanden u. a. die großen Mikroskope mit einem Dreibeinfuß wie das hier zu beschreibende Mikroskop.
Pistor wurde in Berlin geboren, verlor früh seinen Vater und ließ sich auf Anraten seines im höheren Postdienst stehenden Stiefvaters im Preußischen Postdienst ausbilden. Die letzten Jahre bis zu seinem Tod war er Geheimer Oberpostrat.
Aufwändiger früher Kreuztisch des Mikroskops von Pistor
Das Interesse für geodätische und astronomische Instrumente zeigte sich schon während der Ausbildung für den Postdienst. An den verschiedenen Ausbildungsorten in Preußen führte Pistor genaue Positionsbestimmungen durch.
Nach dem Start in einer kleinen Werkstatt - in der Mauerstr. 34 in Berlin Friedrichstadt – arbeitete Pistor bis 1813 mit dem Mechaniker K. T. N. Mendelsohn, dem Sohn des Philosophen Moses Mendelsohn, zusammen. Schon vor der Trennung der Partner war Pistor im Berliner Adressbuch als "Mechanicus" eingetragen und erstellte 1814 sein erstes Preisverzeichnis, welches u. a. einfache, zusammengesetzte und Solarmikroskope enthielt.
Signatur auf dem Tubus des großen Mikroskops von Pistor
Danach begab sich Pistor nach England und hielt sich offenbar bei verschiedenen Instrumentenmachern auf, um deren Produktionsweise kennen zu lernen. Schon ab etwa 1815 arbeitete Pistor mit Friedrich Wilhelm Schieck (1790 – 1870) zusammen. Beide erstellten 1816 das erste Urmaß (Preußisches Nomal-Maß), welches die gemeinsame Signatur "Pistor & Schiek" trägt.
1819 baute Schieck unter der Leitung von Pistor eine erste Kreisteilmaschine. Dieses Jahr galt für Schieck als das Gründungsjahr seiner Selbständigkeit. Ab 1824 bestand dann die Firma "Pistor & Schiek" mit dem Mechaniker Schieck als Werkstattleiter. Eine umfangreiche Preisliste von 1829 zeigt, dass astronomische, geodätische, mathematische und optische Instrumente hergestellt wurden.
Die auf den Tisch wirkende Feineinstellung.
Pistors Ruf als Hersteller wissenschaftlicher Instrumente war offenbar sehr gut. Pistor hatte den Auftrag erhalten, für die zu bauende Königliche Sternwarte in Berlin einen Meridiankreis zu fertigen. Außerdem begann er 1832 mit dem Bau einer optischen Telegraphenlinie durch Deutschland – von Berlin nach Koblenz – und erstellte die notwendigen 61 Stationen mit Telegraphen und 130 achromatischen Teleskopen. Ein Jahr später ließ sich von Koblenz nach Berlin telegraphieren.
1836 findet die Zusammenarbeit zwischen Pistor und Schieck ein Ende. Schieck macht sich wieder selbständig und Pistor verbindet sich für ca. ein bis zwei Jahre mit Wilhelm Hirschmann.
Seit 1844 leiten Pistors Adoptivsohn, Gottfried Pistor (1815 – 1893), als leitender Mechaniker und sein Schwiegersohn, Carl Martins (1816 – 1871), als leitender Optiker die Firma. Die Signaturen der hergestellten Geräte lauten jetzt "Pistor & Martins".
Die komplett vorhandenen 7 Objektive, die teilweise miteinander kombiniert werden können, um verschiedene Vergrößerungen zu erzielen.
Das bekannte und führende Unternehmen in Bezug auf astronomische Instrumente bestand noch bis 1873 und belieferte europäische Sternwarten mit erstklassigen Instrumenten wie Meridiankreisen, Äquatorialen, Universalinstrumenten u. a. Bis ca. 1865 wurden auch noch Trommel-Mikroskope nach Oberhäuser und eigene Modelle angeboten.
Alle Zubehörteile sind original und vollständig vorhanden.
Nach dem Tod von Martins im Jahr 1871 sank die Bedeutung des Unternehmens erheblich. Die Schließung des Betriebes im Jahr 1873 war das Ergebnis von Erbauseinandersetzungen zwischen Gottfried Pistor und der Restfamilie.
Das Mikroskop besitzt neben dem Kreuztisch 2 weitere Tische.
Beschreibung des Mikroskops:
Frühes großes Stangen-Mikroskop mit Klappdreibein und Kippstativ von Pistor in Berlin, voll Messing, original zaponiert, ca. 1813 - 1818; Höhe 47 cm; absolut komplett mit 5 nummerierten Okularen (1, 2, 3, 4 und 5), mit 7 miteinander verschraubbaren nummerierten Objektiven; Grobeinstellung per Zahn und Trieb über die Dreikantsäule des Stativs; die Feineinstellung bewegt den Tisch mit Hilfe der Rändelschraube an unteren Ende der Dreikantsäule unterhalb des Spiegels; Kippstativ, große in den Fuß einsteckbare Auflichtlupe, Tischpinzette, Lochblendenscheibe unter dem Tisch; zusätzlich eine Tischklammer zum Fixieren der Präparatehalter, ein zusätzlicher Kreuztisch und ein weiterer Tischeinsatz mit schwenkbarem Arm; 2 Life-boxen; 5 originale Ebenholzpräparateträger, deren jeweils 4 Präparate einzeln durchnummeriert und auf einem handgeschriebenen Zettel aufgeführt sind; schöne Signatur auf dem Tubus "C. H. Pistor Berlin No. 73"; mechanisch und optisch sehr gut, Erhaltung sehr gut (offenbar kaum benutzt!); alles Zubehör ist total komplett und 100 % original!, extrem schöner liegender Kasten (Maße 48 x 25 x 8 cm).
Handgeschriebene Vergrößerungstabelle des Mikroskops von Pistor.
Diese Ausführungen wären nicht möglich gewesen ohne die ausführlichen und tief schürfenden Ausarbeitungen von Hans Weil, Berlin, über Pistor und Schieck.
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